"Auf der Straße gehen die Träume verloren" - Byron V. berichtet von seinem schwierigen Leben auf den Straßen der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil, seinem Neustart in einem Don Bosco-Jugendzentrum und dem Wiederfinden seiner Träume.
„Ich bin in der ecuadorianischen Hafenstadt Guayaquil mit vier Geschwistern aufgewachsen. Seit ich acht Jahre alt war, habe ich auf den Straßen in meinem Stadtviertel Süßigkeiten, Kokosscheiben und Obst verkauft. Meine Familiensituation war sehr schwierig, mein Vater hat mich schlecht behandelt und oft geschlagen. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich einmal beim Videospielen mit meinen Freunden die gesamten Tageseinnahmen verloren. Ich hatte Panik, ohne Geld nach Hause zu kommen und ließ mich von meinen Freunden überreden, lieber mit ihnen auf der Straße zu leben. Meine erste Nacht als Straßenkind war wirklich schwer. Ich war verzweifelt und habe bereut, nicht nach Hause gegangen zu sein. Aber meine Freunde haben mir geholfen, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Sie wussten zum Beispiel einen guten Platz zum Schlafen: unter dem Fleischgrill in einem Restaurant, der vom Tagesbetrieb noch warm war.
Die nächsten Monate habe ich mit meinen Freunden auf der Straße gelebt. Wir haben jede Gelegenheit ergriffen, ein wenig Geld zu verdienen. Ich habe zum Beispiel in Bussen Süßigkeiten verkauft. Manchmal haben wir auch Marktstände sauber gemacht und zum Dank ein wenig Essen bekommen. Oder Abfall zum Müllplatz gebracht. Geschlafen haben wir auf Kartons, mal hier mal dort, und zum Duschen haben wir das Wasser aus einer kaputten Leitung verwendet.
Insgesamt habe ich etwa ein Jahr auf der Straße gelebt. Einige Straßenkinder, die ich kannte, sind in dieser Zeit auf die schiefe Bahn geraten. Viele haben gestohlen, wenn sie Hunger hatten. Es gab viel Gewalt, viel Missbrauch. Manche haben Klebstoff geschnüffelt oder Drogen genommen. Um Essen zu bekommen, haben wir auch oft gebettelt oder vor Restaurants gewartet, bis die Leute aufgestanden sind. Dann haben wir manchmal die Essensreste bekommen.
Das Schlimmste auf der Straße ist, dass man keine Perspektive hat, keine Ahnung, was weiter geschehen wird. Dass die Träume verloren gehen. Viele Kinder haben das Leben auf der Straße nicht überlebt. Wenn ich dort geblieben wäre, wäre es mir vielleicht ähnlich ergangen.
Doch ich hatte Glück. Eines Tages gab es im Stadtzentrum eine große Säuberungsaktion der Polizei. Wir wurden alle in einen Bus gesteckt und in eine Besserungsanstalt gebracht. Am nächsten Tag mussten wir anstrengende Übungen am Sportplatz machen. Die Polizisten haben uns dabei mit Besenstielen geschlagen. Sie haben gesagt: „Wir tun das nur für euch. Damit ihr nie wieder auf die Straße geht.“ Am selben Tag wurde ich dann ins Don Bosco-Zentrum gebracht.
Zu Beginn bin ich noch manchmal zurück auf die Straße gegangen. Irgendwann habe ich mich dann entschieden, ganz im Zentrum zu bleiben. Die Leute waren dort sehr nett. Wir bekamen zu essen, konnten gemeinsam Sport treiben und man hat sich um uns gekümmert. Ich bin auch wieder zur Schule gegangen und habe zwei Jahre nachgeholt – eines hatte ich durch das Jahr auf der Straße verloren und zuvor hatte meine Familie das nötige Schulgeld nicht bezahlen können. Zusätzlich dazu habe ich auch eine Ausbildung zum Tischler gemacht. Vormittags war ich in der Schule und nachmittags in der Lehre. Außerdem haben wir jeden Tag Fußball gespielt, was mir sehr gefallen hat.
Mit 16 Jahren habe ich eine Spezialausbildung gemacht, um im Zentrum mitzuarbeiten und den Straßenkindern helfen zu können. Danach habe ich zweieinhalb Jahre tagsüber als Volontär mit den Kindern gearbeitet und bin gleichzeitig in die Abendschule gegangen, bis zur Matura, die ich gut geschafft habe. Daraufhin bekam ich ein Jobangebot für eine fixe Stelle im Don Bosco-Zentrum. Das hat mich sehr glücklich gemacht, denn ich habe immer gern mit den Kindern dort gearbeitet. Ich war so etwas wie ein größerer Bruder für sie, denn ich wusste ja aus eigener Erfahrung, was sie durchgemacht hatten. Nebenbei habe ich begonnen, Psychologie zu studieren.
Durch meine Arbeit im Don Bosco-Zentrum habe ich Mirjam kennengelernt, die als Volontärin von Jugend Eine Welt in Guayaquil im Einsatz war. Wir haben uns verliebt und 2014 war ich zum ersten Mal für einen Monat in Österreich, um sie zu besuchen. Heute sind wir verheiratet und leben gemeinsam in Wien. Ich arbeite zurzeit als persönlicher Assistent einer Dame mit Behinderung und mache gleichzeitig den Vorstudienlehrgang. Ich möchte gern Lehrer für Sport und Spanisch werden und hoffe, dass ich bald mit dem Studium beginnen kann.
Die Zeit auf der Straße werde ich sicher nie vergessen, sie war sehr schwierig. Aber hätte ich nicht auf der Straße gelebt, wäre ich nie zu Don Bosco gekommen. Dadurch hat sich mein Leben grundlegend zum Besseren verändert. Heute habe ich wieder ganz viele Träume und eine wirkliche Lebensperspektive. Ich wünsche allen Straßenkindern, dass sie so eine Chance bekommen!“
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