Pater Mykhaylo Chaban SDB ist Provinzial der Salesianer Don Boscos in der Ukraine und Leiter des Don Bosco Kinderheims in Lemberg. Der Jugend Eine Welt-Partner war vor rund einem Jahr das letzte Mal in Wien, um kurz nach Beginn des Krieges über die Koordination der Nothilfe mit Geschäftsführer Reinhard Heiserer zu beraten. Heute fand er sich wieder im Büro von Jugend Eine Welt ein, um aktuelle und weitere Hilfsmaßnahmen zu besprechen und nahm sich auch die Zeit für ein Interview. Begleitet haben ihn bei seinem Besuch drei ukrainische Jugendliche, die sich aktuell stark in der Binnenflüchtlingshilfe in Lemberg engagieren. So organisieren sie Spiele mit den aus der Ostukraine geflüchteten Kindern und helfen ihnen bei der Integration. Aber auch beim Packen von Hilfspaketen für Notleidende unterstützen sie ehrenamtlich.
Pater Chaban, was ist aktuell die größte Herausforderung für die Menschen in Lemberg?
Es ist die Angst vor Raketenangriffen und die damit verbundene Ungewissheit. Denn auch die BewohnerInnen Lembergs wissen, dass der nächste Angriff aus der Luft durchaus ihr eigenes Zuhause und das Leben ihrer Familie gefährden kann. So sind bei einer neuerlichen russischen Angriffswelle in der vergangenen Woche in der Region um Lemberg fünf Menschen getötet worden. Im Ort Solotschiw schlug eine Rakete direkt in einem Wohngebiet ein, woraufhin ein Feuer ausgebrochen ist. Ebenso ist die Tatsache, sich bei jedem Luftalarm wieder schnell verstecken zu müssen auch nach einem Jahr nicht leichter.
Wie geht es „Ihren“ Kindern in Lemberg?
Viele unserer Waisenkinder waren vorübergehend in der Slowakei untergebracht, sind mittlerweile aber zum Großteil wieder nach Lemberg zurückgekehrt. Aufgrund der ständigen Bedrohung aus der Luft können die Kinder den Alltag nicht wirklich unbelastet genießen. Aber meine MitarbeiterInnen und ich versuchen den Kindern zu vermitteln, dass das Leben trotz des Krieges weitergeht. Es ist wichtig, dass sie weiterhin zur Schule gehen und lernen und wir bieten ihnen auch viele Freizeitangebote wie Fußball.
Wie gehen die Kinder mit dem nun doch bereits ein Jahr lang dauernden Krieg um?
Bei Ausbruch des Krieges hatten viele Kinder Panik. Sie verstanden nicht, was gerade vor sich geht und es herrschte große Hoffnungslosigkeit unter ihnen. Alle Kinder haben nach wir vor Angst, doch mittlerweile ist der Krieg schon Alltag. Sie wissen was zu tun ist und sind bei jedem neuerlichen Sirenenalarm bereit, sich in Sicherheit zu bringen. Wir haben auch Waisenkinder aus der Ostukraine bei uns aufgenommen. So haben drei Brüder ihre Mutter durch einen Raketenangriff auf ein Theater verloren, in dem sie sich gerade befand. Diese Kinder brauchen natürlich psychologische Unterstützung und wir versuchen ihnen zu zeigen, dass es viele Gründe gibt, um weiterzuleben. Auch möchten wir ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie hier bei uns in Lemberg ein neues Zuhause gefunden zu haben. Zum Glück gelingt uns das – die Kinder lächeln immer öfter!
Wie sieht das Leben in der Stadt Lemberg aktuell aus?
Die Stadt Lemberg ist gewachsen. Aktuell wohnen 150.000 bis 200.000 mehr Menschen hier, als noch vor Ausbruch des Krieges. Es sind alles Menschen, die aus ihren Städten und Dörfern im Osten in die Westukraine geflüchtete sind. Auch sind 90 Prozent der SchülerInnen wieder aus dem Ausland zurückgekehrt und wir haben momentan das Problem, dass die Schulklassen in Lemberg heillos überfüllt sind.
Wie helfen Sie und Ihre MitarbeiterInnen den Geflüchteten?
In unseren Häusern leben aktuell 150 Flüchtlinge und weitere 1.000 von uns betreute Menschen leben in Containern, die auf einem unserer Gelände aufgestellt sind. Unter ihnen sind 220 Kinder, von denen die meisten stark traumatisiert sind. Neben entsprechenden Hilfsangeboten versorgen wir all diese Menschen kostenfrei mit zumindest einer warmen Mahlzeit am Tag. Hier leben zu 90 Prozent ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Mütter mit kleinen Kindern, denen es nicht möglich ist aktuell eine Arbeit zu finden. Alle hoffen, dass der Krieg bald ein Ende hat und sie nach Hause in die Ostukraine zurückkehren können, aber bis dahin werden sie auf unsere weitere Unterstützung angewiesen sein.
Was tun Sie konkret um die traumatisierten Kinder zu unterstützen?
Wir versuchen ihnen neben der psychologischen Betreuung hauptsächlich mit Freizeitangeboten Freude zu bereiten. Denn während eines Fußballspiels vergessen die Kinder die Probleme, die der Krieg mit sich bringt. Auch sind die Angebote dafür gut, dass die Kinder mit anderen jungen Menschen in Lemberg Kontakte knüpfen können. Wir haben eine große Turnhalle, in der wir immer wieder Sportwettbewerbe für Kinder aus der ganzen Ukraine organisieren. Etwa im Bereich Fußball oder Gymnastik. Damit wollen wir den Kindern wiederum vermitteln, dass das Leben weitergeht, dass sie Spielen und Spaß haben dürfen. Es ist schön, dass wir bei all diesen Angeboten auch die positiven Auswirkungen miterleben dürfen!
Was brauchen die Menschen in der Ukraine aktuell am meisten?
Wir spüren die Unterstützung der Menschen in Europa nach wie vor und das gibt uns Kraft! Aber wir haben auch Angst, dass diese Bereitschaft uns zu helfen mit Dauer des Krieges abnimmt. Denn die Not der ukrainischen Bevölkerung ist dieselbe wie zu Beginn des Krieges und wir brauchen die Unterstützung des Westens. Besonders Hilfsgüter wie Medikamente – gerade den Menschen im Osten fehlt es an diesen. Sei es durch Hilfslieferungen oder die Aufnahme von aus der Ukraine Geflüchteten, jede Hilfe zählt.
Was denken Sie, dass Don Bosco heute in der Ukraine tun würde?
Don Bosco würde wahrscheinlich aktiv in die Regionen fahren, wo gerade die ärmsten Menschen leben und auch die Kinder keine Hoffnung mehr sehen! So wie es zwei Salesianer von uns jede Woche tun. Sie fahren zu den bedürftigsten Menschen, die an den gefährlichsten Orten leben – wie aktuell nach Bachmut und Lyman – und unterstützen sie mit Lebensmittelpaketen, hören zu und sind für die Menschen da.
Bitte unterstützen auch Sie die Ukraine-Hilfe von Jugend Eine Welt!
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