„Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten weltweit rund 160 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 17 Jahren unter Bedingungen, die als Kinderarbeit einzustufen sind. Mehr als die Hälfte von ihnen sind zwischen fünf und elf Jahren alt. 79 Millionen dieser Kinder arbeiten unter ausbeuterischen und oft gesundheitsschädlichen und gefährlichen Bedingungen. Das bedroht nicht nur ihre Gesundheit, sondern verletzt ihre grundlegenden Kinderrechte und beraubt sie ihrer Zukunft“, erinnert Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend Eine Welt, anlässlich des Welttages gegen Kinderarbeit am 12. Juni. Die österreichische Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt unterstützt seit über 25 Jahren Projekte im Globalen Süden, die Kinderarbeitern neue Perspektiven geben, indem sie von der Arbeit weggeholt werden und ihnen wichtige Schul- und Berufsausbildung ermöglicht wird. „Denn Bildung ist der Schlüssel für ein späteres Leben in Würde“, so Heiserer.
Kinderarbeit findet weltweit statt
„Kinderarbeit findet weltweit in verschiedensten Formen statt: als Zwangsarbeit oder Schuldknechtschaft, in Privathaushalten, Kleingewerbe- und Industriebetrieben. Rund 70 Prozent der KinderarbeiterInnen sind in der Landwirtschaft tätig. Auch im Bergbau und in der Textil- und Teppichindustrie werden häufig Mädchen und Buben beschäftigt“, erklärt Reinhard Heiserer. Erst vor wenigen Tagen bekam der Geschäftsführer von Jugend Eine Welt Besuch von einem Projektpartner aus dem Süden Afrikas. Joseph Nyondo, als Ökonom der Salesianer Don Boscos für Projekte in Malawi, Sambia, Simbabwe und Namibia verantwortlich, berichtete im Zuge dessen auch von Kinderarbeit. Konkret geht es um Kinderarbeit in den unzähligen Kupferminen in der Region, dem sogenannten „Copperbelt“, der sich von Sambia bis in die Demokratischen Republik Kongo zieht und als Afrikas bedeutendstes Kupferbergbaugebiet gilt. „Die Armut in der Region entlang des Kupfergürtels ist groß. Familien brauchen jedes Einkommen, um zu überleben. Die Eltern arbeiten in den Mienen und nehmen ihre Kinder mit, die somit früh mit dem illegalen Minenabbau in Kontakt kommen“, erzählt Nyondo. „Ihre Zukunft wird damit zerstört. Denn die jungen Mädchen und Buben brechen in der Folge die Schule ab und absolvieren in den Mienen schwere Arbeiten, die sonst nur Erwachsene machen. Sie kommen aus der Armutsspirale nicht mehr raus.“ Heiserer ergänzt: „Ihre von skrupellosen Geschäftsleuten ausgebeutete Arbeit trägt so dazu mit bei, dass auch bei uns in Österreich unser großer Kupferbedarf rasch und kostengünstig gestillt werden kann. An das Schicksal ausgebeuteter Kinder und Familien denkt bei Produkten, in denen Kupfer verwendet und verbaut wird, kaum jemand.“
Schulbildung als Chance der Armut zu entfliehen
Die Stadt Chingola in Sambia ist ein wichtiger Industriestandort im Kupfergürtel. In der knapp 200.000-Einwohner-Stadt befindet sich eine der größten Minen des Landes. Die Salesianer Don Boscos, langjährige und verlässliche Projektpartner von Jugend Eine Welt, kümmern sich in den Randbezirken Chingolas um Straßenkinder, die im besonderen Maße der Gefahr von Kinderarbeit und Ausbeutung ausgesetzt sind. „Ziel unserer Arbeit ist es die Kinder durch Sozialprogramme zu unterstützen, sie schlussendlich wieder in ihre Familien zu integrieren und vor den Gefahren, die auf der Straße lauern, zu schützen. Gleichzeitig betreiben wir auch Aufklärungsarbeit innerhalb der Familien, vermitteln ihnen den Wert von qualitativer Schulbildung. Denn nur diese ermöglicht ihren Kindern die Chance, der Armut zu entfliehen“, so Nyondo bei seinem Besuch in Wien. Sechs Jahre hat er selbst vor Ort als Sozialarbeiter gearbeitet und kennt die Situation aus eigener Erfahrung.
Achtung beim Kauf tägliche Produkte
„Kinderarbeit hat still und heimlich längst unsere eigenen Haushalte erobert“, so Heiserer. Neben Kupfer befinden sich 159 Produkte aus 87 Ländern bzw. Regionen auf der „list of goods“, einer vom US-amerikanischen Bureau of International Labor Affairs (ILAB) jährlich veröffentlichten Auflistung jener Güter, in denen Kinderarbeit steckt. „Das Thema Kinderarbeit ist für viele Österreicherinnen und Österreicher nicht greifbar, da die Ausbeutung der jungen Mädchen und Burschen vorwiegend im Globalen Süden passiert. Doch wir sind hierzulande sehr wohl mit Kinderarbeit konfrontiert – nämlich in Form der bei uns verarbeiteten Rohstoffe aus jenen Regionen sowie vieler Waren und Produkte, die im Globalen Süden mit der Hilfe von Kinderhänden geerntet oder hergestellt wurden. Wir brauchen uns hier nur den Frühstückstisch anschauen, der oft unwissentlich Produkte beinhaltet, in denen missbräuchliche Kinderarbeit steckt“, so Heiserer. Der Jugend Eine Welt-Geschäftsführer nennt als Beispiele Orangen, Kakao oder Palmöl, das in Schokoladencreme enthalten ist, und etwa in Malaysia, Indonesien und Sierra Leone unter ausbeuterischen Umständen von Kindern produziert wird. „Oft wissen wir gar nicht, welches Leid wir mit unserem Kaufverhalten unterstützen. Da heißt es für alle, auch das eigene Konsum- und Einkaufsverhalten zu hinterfragen bzw. auf die Herkunft der Produkte sowie auf Gütesiegel des fairen Handels zu achten.“ Doch nicht nur das bewusste Einkaufsverhalten des Einzelnen ist ein Hebel zur Kinderarbeitseindämmung, sondern besonders wichtig ist das aktive politische hinarbeiten zivilgesellschaftlicher Gruppen, um durch Aufklärung, Lobbying und Anwaltschaft von Politik und Wirtschaft die Schaffung von Rahmenbedingungen und Gesetzen zu fordern, die schon am Ursprung der Rohstoffbeschaffung bzw. Produktherstellung Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung im Globalen Süden ausschließen helfen.
Appell an Zadić und Kocher
Der unlängst erfolgte Beschluss eines europäischen Lieferkettengesetzes durch das EU-Parlament sei laut Heiserer daher ein wichtiger und längst überfälliger Schritt gewesen. Denn nur so können Unternehmen bei der Produktion in die Pflicht genommen und der Herstellungsprozess für die KonsumentInnen nachvollziehbarer gemacht werden. „Justizministerin Alma Zadić und Wirtschaftsminister Martin Kocher sind nun in den anstehenden Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedsstaaten gefordert. Denn der abgestimmte Entwurf darf nicht wieder verwässert werden. Ich appelliere daher an beide, sich für ein starkes Lieferkettengesetz einzusetzen und dem Lobby-Druck einzelner Interessensgruppen nicht nachzugeben“, erneuert Heiserer abschließend die Forderung der Initiative „Kinderarbeit stoppen“ – bestehend aus Jugend Eine Welt, der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, FAIRTRADE Österreich, weltumspannend arbeiten (ÖGB, Kindernothilfe Österreich und Butterfly Rebels.
AVISO: 12. Juni, 16:00 Uhr | Fototermin mit Justizministerin Alma Zadić
Am 12.06 Juni 2023 um 16:00 Uhr sind VertreterInnen des Bündnisses “Kinderarbeit stoppen” zu Gast bei Justizministerin Alma Zadić. Mit dabei sind auch engagierte Kinder aus Breitenbrunn/Burgenland, die mit der Ministerin gemeinsam ein sogenanntes „Reverse Graffiti“- gegen Kinderarbeit schrubben werden. Die Aktion wird im Freien neben dem Justizministerium stattfinden. MedienvertreterInnen sind herzlich zum Fototermin eigeladen.
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