Im Jahr 2015 besuchten uns Cindy und Schwester Marivic aus Manila, Philippinen. Damals erzählte uns Cindy ihre traurige Geschichte:
Warum begann mein Leben so unglücklich? Wenn Gott mich liebt, warum wurde ich missbraucht? Warum komme ich aus einer kaputten Familie, warum sind meine Eltern Trinker, warum haben sie sich getrennt? Warum leiden meine Schwestern und Brüder so sehr unter ihrer Verantwortungslosigkeit? Meine Mutter nahm und verkaufte Drogen. Als meine Eltern sich trennten, ließen sie meine drei Geschwister bei Nachbarn in Süd-Leyte zurück. Mich nahm meine Mutter mit, als sie mit ihrem neuen Lebenspartner nach Manila zog. Zumindest gab sie mich nicht auch weg.
Wir lebten in einer notdürftig gezimmerten Baracke in Tondo, Manila – ein unmenschlicher Platz für ein dreijähriges Kind. Dann nahm mich mein Vater meiner Mutter weg und ich lebte mit ihm mehrere Jahre in einem Handwagen auf den Straßen von Intramuros und Divisoria. Ich erlebte die Freiheit der Straße ohne zu wissen, wie riskant und gefährlich sie für mich war. Ich bettelte mit anderen Kindern. Mit meinem Vater und mit meiner Stiefmutter suchte ich im Müll nach brauchbaren Sachen, die wir verkaufen konnten. Wir durchsuchten den Müll auch nach Essbarem. Manchmal musste ich ins Krankenhaus gebracht werden, weil ich eine Nahrungsmittelvergiftung hatte. Eines Tages bat ich meine Stiefmutter um Essen und sie gab mir Rugby zum Schnüffeln um meinen Hunger zu stillen. Wenn ich hungrig bin und es nichts zum Essen gibt, schnüffle ich Rugby. Ich muss mich immer verstecken, wenn ich das mache, damit mich die Polizei nicht schnappt. Wasser war knapp, darum warteten wir immer auf das Feuerwehrauto, um ein Bad zu nehmen. Ich hatte am ganzen Körper Krätze. Weil wir immer so viel mit Schmutz zu tun hatten, bekam ich Tuberkulose.
Meine richtige Mutter nahm mich meinem Vater wieder weg, als sie sah, dass ich immer krank war. Sie sperrte mich in unserer Baracke ein und als sie mich einmal allein ließ, wurde ich vergewaltigt. Sie brachte mich dann ins Krankenhaus, aber dort wollten sie mich nicht behandeln, weil wir die 50 Pesos – ungefähr einen Dollar – für die Registrierungsgebühr nicht bezahlen konnten. Meine Mutter weinte und flehte den Krankenhausbeamten an, sie zeigte ihm sogar, dass ich noch immer die Spuren der Vergewaltigung trug, aber er hörte ihr nicht zu. Endlich hörte ein Angestellter ihr Weinen, ich tat ihm leid und er gab meiner Mutter das Geld. So kam ich in ärztliche Behandlung. Dann wurde ich ans Laura Vicuña Zentrum weiterverwiesen, das Straßenmädchen aufnimmt, die Opfer von Missbrauch, Ausbeutung oder Menschenhandel wurden.
Wissen Sie, wie verletzt ich war, als mir meine Mutter sagte, dass sie den Hund mehr liebt als mich? Ich war damals sechs… Seit dieser Zeit nenne ich sie nicht mehr Mutter, sondern nur mehr bei ihrem Vornamen: Nena. Im Laura Vicuña Zentrum fühlte ich mich so willkommen, plötzlich war ich wichtig und man hörte mir zu. Ich hatte eine schwierige Zeit, bis ich mich an ein strukturiertes Leben gewöhnte und lernte, andere gelten zu lassen. Ich hatte dauernd Wutanfälle und schlief die meiste Zeit. In den Straßen galt das Gesetz des Stärkeren… Doch die Schwestern waren geduldig und so gewöhnte ich mich an das Leben in der Gruppe. Alle anderen Mädchen im Zentrum sind meine Schwestern, wir müssen lernen einander zu lieben. Wir sind eine Familie. Wir haben unsere Pflichten, wir arbeiten, spielen, beten und gehen gemeinsam zur Schule. Seit 12 Jahren sorgt das LVC für all meine grundlegenden Bedürfnisse. Nicht nur mein reines Überleben war gesichert, ich wurde beschützt, konnte mich entwickeln und meine Meinung wurde ernstgenommen. Ich erhielt eine gute Erziehung, psychiatrische bzw. psychosoziale Betreuung, Beratung und spirituelle Begleitung. Jesus wurde zu einem Freund. Es gab eine Zeit, da schwänzte ich die Schule und machte in der Klasse Ärger. Ich gab sogar den Schwestern freche Antworten… Im LVC wurde ich getauft und erhielt die Sakramente. Im Alter von 12 Jahren schickte mich Schwester Marivic als Repräsentantin in den Nationalen Rat für Kinder und Jugend-Teilnahme der Staatlichen Kommission gegen Armut, die dem Büro des Präsidenten unterstellt ist. Dabei wurde meine Begabung für Leitungsaufgaben sichtbar. Ich besuchte Meetings und Seminare.
Das Laura Vicuña Zentrum ist meine Familie, es gab mir Hoffnung und einen Grund um zu hoffen. Hier fühlte ich mich geliebt. Man kümmerte sich um mich, fragte mich nach meiner Meinung und respektierte mich. Ich lernte auch selbst zu lieben, so wie ich geliebt wurde. Ich lernte, mit anderen solidarisch zu sein. Ich erhielt eine Stimme und konnte anderen Kindern durch die Mobile Kinderschutzklinik helfen. Hier konnte ich heranwachsen und zu einem völlig neuen Menschen werden. Ich habe eine Zukunft voller Hoffnung vor mir. Ich spreche jetzt für Mädchen wie mich, ich bin für alle eine Freundin und eine nützliche Bürgerin unseres Landes. Am 28. März werde ich mein Studium der Elementarpädagogik am Sta. Ana de Victorias-College in West-Negros mit dem Titel Bachelor abschließen.
Die Schwestern haben uns immer wieder gesagt, dass wir uns für unsere Vergangenheit nicht schämen sollen, denn wir tragen keine Schuld daran. Ich fühle keinen Wut und keine Bitterkeit mehr, wenn ich an die Menschen denke, die mich verletzt haben. Das Schlimme, was mir widerfahren ist, wurde zu einem Segen! Deswegen wurde ich zu den Don Bosco Schwestern im Laura Vicuña Zentrum gebracht, wo Mädchen wie mir so viele großartige Möglichkeiten offenstehen.
Ich habe durch Don Bosco Hoffnung gefunden.
Papst Franziskus war so mitfühlend gegenüber dem Mädchen, das in Tränen ausbrach als sie vor ihm sprach und ihn fragte:
„Heiliger Vater, warum müssen Kinder so leiden?“
Das gibt auch mir den Mut zu sprechen und meine Geschichte zu erzählen, damit andere aus meinen Erfahrungen lernen und mit Kindern liebevoll umgehen. Ich bin geheilt worden, ich bin verwandelt worden. Und wirklich - auf meiner Reise der Hoffnung in eine schöne und spannende Zukunft hat mir die rettende Gnade Christi geholfen. Ich hoffe, dass meine Geschichte, die ich heute mit Ihnen geteilt habe, Sie dazu bewegt, selbst aktiv zu werden, um den systematischen Schutz von Kindern in Ihrer Gesellschaft sicherzustellen und um dabei zu helfen, zerbrochene Leben zu heilen.
Heute ist Cindy erwachsen, hat ihre Ausbildung als Lehrerein abgeschlossen und arbeitet selbst am Laura Vicuña Zentrum in Manila. „Hier kann ich Mädchen helfen, die genauso wie ich, viel Schreckliches erleben mussten. Zum Glück gibt es das Zentrum, damit junge Mädchen Aufnahme und ein Zuhause finden.“
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